Skaftafell/Vatnajökull - Ice Age

Donnerstag, 14.07.2022

Tag 5 - Dienstag, 12.07.2022

Für diesen Tag war eine fünfstündige Gletscherwanderung geplant. Wir fuhren bei ziemlich tiefhängenden Wolken und ein paar Regentropfen los und waren pünktlich um 10 Uhr am Treffpunkt. Dort bekamen wir einen Klettergurt, Helm, Steigeisen und einen Eispickel. In einer Auto-Kolonne gings zu einem Ausläufer des Vatnajökull. Dies ist der größte Gletscher Europas und der drittgrößte weltweit. Vor uns lag mit dem Ausläufer ja nur ein kleiner Teil und der wirkte schon so groß. Ich war sofort fasziniert von seinen bizarren Eisformationen, die schon von unten zu erkennen waren. Wir wurden in zwei 6er-Gruppen eingeteilt und unser Guide war eine kleine drahtige Mexikanerin namens Sam. Sie ist vor ca. 4 Jahren nach Island ausgewandert und ihre Liebe zur Natur war in ihren Erklärungen zu hören und ihren strahlenden Augen zu sehen.

Zuerst gings über Stock und Stein zum Fuße des Gletschers. Unten ist er mit Erde und Asche bedeckt, so dass wir die ersten Höhenmeter noch ohne Steigeisen zurücklegen konnten. Dann zeigte uns Sam, wie wir sie anlegen und wir bekamen eine kurze Einweisung, wie man damit geht und wie man den Eispickel hält und benützt. Am Anfang stakste ich etwas vorsichtig und unsicher aufs Eis, aber die Steigeisen greifen sicher und ein Wegrutschen ist vollkommen ausgeschlossen, wenn man richtig auftritt. So kann man sehr steile Gefälle rauf- und runterlaufen, ein bisschen kamen wir uns wie Spiderman vor. 😆 

Wir liefen hintereinander, waren aber nicht durch ein Seil gesichert. Da im Sommer kein Schnee auf dem Gletscher liegt, sind alle Spalten deutlich zu erkennen und Sam führte uns im Zickzack immer weiter nach oben. Wir waren eine homogene Gruppe und ich konnte das Tempo sehr gut mithalten. Je höher wir kamen, desto schöner wurde es. Hier hatte das Wasser ein Loch in das Eis gegraben, das blau schimmerte, dort tat sich eine große Spalte auf, in die wir vorsichtig hinspähten und da drüben türmten sich verschiedenste Eisskulpturen auf. Es roch frisch und kalt und nach Eis und Schnee. Hin und wieder war ein Grollen zu hören, wenn sich der Gletscher bewegt. Das war fast ein bisschen unheimlich. Sind wir doch nur so kleine verletzliche "Punkte" inmitten der rauhen Natur. 

An unserem höchsten Punkt machten wir eine kurze Mittagspause. Da wir so flott unterwegs waren, hatten wir es höher geschafft als viele andere Gruppen. Wir waren ganz allein mitten im Eis und wenn alle ruhig waren, war es still. Eine Stille, die man in unserer Welt eigentlich fast nicht mehr kennt. Ich atmete tief ein und mich durchströmte eine unbeschreibliche Dankbarkeit genau jetzt hier zu sein.

Dann ging es leider wieder etwas abwärts - ich wäre am liebsten noch viel höher gestiegen. Sam meinte, sie hätte eine Idee, weil wir so gut in der Zeit wären. Wir querten den Ausläufer von rechts nach links in einen Teil, in dem viele breite Gletscherspalten waren. Von einem höher gelegenen Eisfeld schauten wir darauf herab. Sam holte Karabiner und ein Seil aus ihrem Rucksack, befestigte einen Haken im Eis und dann seilte sie uns nacheinander die ca. 8-10 Meter auf die darunter liegende Ebene ab. Das war echt ein Erlebnis und so etwas hatte ich überhaupt nicht erwartet. 😃 

Danach gings leider wieder nach unten, ich hätte noch ein paar Stunden im Eis verbringen können. Übrigens war es richtig schwer, den Pickel so ins Eis zu schlagen, dass er auch hält - es ist sehr komprimiert und hart. Hätte ich nicht gedacht. Vom Parkplatz schauten wir nochmal nach oben und Sam zeigte mir, wie hoch wir genau waren, da man das überhaupt nicht einschätzen kann, wenn man mitten im Berg ist. Man sieht im Ausläufer links die kleine braune Schleife und wir waren fast an deren oberen Ende - nur etwas weiter rechts im Eisfeld. Also so ziemlich in der Bildmitte. 🙂

Anschließend fuhren wir noch zum Skaftafell Zentrum und von dort wanderten wir zum Svartifoss, einem Wasserfall. Seinen Basaltsäulen soll die Kirche in Reykjavik nachempfunden sein. Der Weg dorthin war ziemlich steil und da uns die Gletscherwanderung durchaus in den Knochen steckte, konnte man uns ein bisschen fluchen hören. 😅

Es war ab Beginn der Wanderung dann den ganzen Tag über trocken geblieben und als wir vom Wasserfall zurück zum Auto liefen, riss es richtig auf und die Sonne zeigte uns ihr Strahlen. So kam es, dass wir die Umgebung von unserer Unterkunft zum ersten Mal richtig sehen und wahrnehmen konnten, weil die Wolken nicht bis zum Boden hingen - und wir waren begeistert!

Den Tag rundeten wir mit einem Besuch in einem Restaurant ab. Lecker wars!